Herr Kautz, welche Funktionen haben Selbsthilfegruppen, wenn es um Leberzirrhose und Hepatische Enzephalopathie (HE) geht?

Die Selbsthilfe ist der neutrale Vermittler von Informationen und der Wegweiser zu Informationen.

Arztgespräche im hausärztlichen Bereich dauern durchschnittlich nicht länger als 3,5 Minuten. Hinzu kommt, dass die Patienten zu wenig fragen und der Arzt zu viele Fachbegriffe verwendet. Das führt dazu, dass der Patient, obwohl er in medizinischer Behandlung ist, nicht richtig über seine Erkrankung Bescheid weiß. An diesem Punkt springt die Selbsthilfe ein. Sie erklärt ohne Zeitdruck in einer einfachen, verständlichen Sprache, sie kann über verschiedene Therapiemöglichkeiten aufklären und sie kann auf Fachärzte für die verschiedenen Erkrankungen verweisen.

Welchen Stellenwert hat die Selbsthilfe für die Patienten?

Der Stellenwert der Selbsthilfegruppen für die Patienten ist sehr hoch. Nach der Diagnose fühlen sich viele Patienten alleingelassen, dabei gibt es in Deutschland Millionen Leberkranke. Wenn diese Menschen sich nicht mehr allein fühlen, wenn sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können, gibt Ihnen das ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Die Selbsthilfe ist eine Anlaufstelle, bei der sie immer anrufen, immer wieder vorbei gehen können und immer ein offenes Ohr finden.

Die Deutsche Leberhilfe e.V. veranstaltet auch regelmäßige Arzt-Patienten-Seminare mit Experten, die sich verständlich ausdrücken. Man kann sich dort außerhalb eines Arzttermins über Aktuelles zur Erkrankung informieren und zusammen mit anderen Patienten auch mit dem Arzt sprechen. Es gibt auch genügend Zeit, um Einzelfälle zu diskutieren.

Wann schließen sich Betroffene einer Selbsthilfegruppe an?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die sich direkt nach der Erstdiagnose an die Selbsthilfe wenden und dort entweder aktives oder passives Mitglied werden. Andere informieren sich nur, schließen sich aber nicht an. Man muss nicht Mitglied werden, um Hilfe zu erfahren, das entspricht nicht dem Selbstbild der Selbsthilfe. Auf regionaler Ebene gibt es außerdem auch Selbsthilfegruppen, die sich regelmäßig treffen und mit denen man sich vor Ort austauschen kann.

Wie wirkt sich die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe auf die Therapietreue aus?

Patienten, die sich einer Selbsthilfegruppe anschließen haben ein besseres Verständnis für ihre Erkrankung, folgen den therapeutischen Anweisungen besser, nehmen ihre Medikamente regelmäßiger und können besser beraten werden. Weil sie sich aktiv mit der Erkrankung auseinandersetzen, ist ihr Wohlbefinden gestärkt. Untersuchungen zeigen, dass Patienten, die nicht in der Selbsthilfe aktiv sind, tendenziell eine schlechtere Therapietreue haben als diejenigen, die sich einer Selbsthilfe angeschlossen haben. Die Selbsthilfe wird heute auch von renommierten Wissenschaftlern als eine hervorragende Ergänzung zur fachmedizinischen Betreuung betrachtet.

Wozu raten Sie Leberpatienten?

Therapietreue ist das A&O. Es gibt für viele Indikationen mittlerweile hoch wirksame und gut verträgliche Medikamente. Voraussetzung der Patient nimmt sie auch ein, wenn der Arzt sie ihm verschreibt.

Jeder Patient sollte sich aktiv mit seiner Erkrankung auseinandersetzen. Es ist wichtig ein Verständnis dafür zu haben, was diese Erkrankung ist, was sie bewirkt und wie sie behandelt werden kann, um daraus positive Energie zu ziehen. Lebererkrankungen sind behandelbar und sie sind meist gut kontrollierbar.

Patienten sollten ihre Familie und Freunde mit einbeziehen, und keine Scheu haben über ihre Lebererkrankung zu reden. Nur indem darüber gesprochen wird kann auch das Stigma – selber schuld, selbst verursacht – abgebaut werden.

Es gibt sehr gute Ärzte, es gibt eine sehr gute Selbsthilfe. Man ist nicht allein.

Portrait von Achim Kautz

Der Stellenwert der Selbsthilfegruppen für die Patienten ist sehr hoch.

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